Block-Künzler begann seine Wanderung rund um Deutschland 2017 im mittelhessischen Wetzlar. Von dort lief er entlang der Lahn, des Rheins und der Mosel zur Westgrenze unweit der ältesten Stadt Deutschlands - der Karl-Marx-Stadt Trier. Zuvor hatte er Deutschland bereits mit seinem Oldtimerrad MAICO umrundet.
Vor allem hab Zeit und nimm Umwege.
Lass dich ablenken. Mach sozusagen Urlaub.
Überhör keinen Baum und kein Wasser. Kehr ein, wo du Lust hast, und gönn dir die Sonne.
Peter Handke ("Über die Dörfer")
Ich begann die Tour wieder von meinem Büro in der Spilburg in Wetzlar – einer vor mehr als hundert Jahren erbauten Kaserne, die heute von der Kreisvolkshochschule, einer Grundschule der Lebenshilfe und vielen Gewerbetreibenden genutzt wird.
Der Lahnwanderweg beginnt zwar nicht an der Alten Lahnbrücke, dennoch wollte ich dieses Bild mit auf meine Reise nehmen. In einigen Jahren werde ich hier wieder stehen. Der Lahnwanderweg führte mich entlang der Lahn und der Mosel zunächst zur westlichen Grenze Deutschlands. Das Ziel meiner ersten Etappe war Trier. Ein Jahr später soll es dann über Saarbrücken und durch den Pfälzer Wald zum Rhein nach Straßburg gehen. Viele Strecken werden mir bekannt sein. Mit meinem Oldtimerrad bin ich sie bereits rund um Deutschland gefahren. Da ich in diesem Leben noch in Wetzlar ankommen will, werde ich mich vorwiegend an Fernradwegen orientieren.
Der Lahnwanderweg führt an dem ehemaligen Hauptgebäude von Leica vorbei hoch Richtung Burgruine Karlsmunt und in Pfaden den Lahnhängen entlang. Er vermeidet breite Waldwege, Schotterwege, Straßen und Siedlungen – soweit dies möglich ist. Ein Wildnispfad ist er natürlich nicht. Aber weniger Zivilisation geht im eng besiedelten Mittelhessen, Deutschland kaum.
Dont panic! Der nächste Wegweiser kommt bestimmt. Vom Lahnwanderweg sind keine Fälle bekannt, dass orientierungslose Wanderer dehydriert, verhungert und später mumifiziert aufgefunden wurden. Wandern hier ist Abenteuer mit Vollkasko.
Dennoch: Sieht fast wie Wildnis aus. Jedenfalls dann, wenn man sich gewöhnlich in Fußgängerzonen bewegt.
Taunusblick vom Lahnwanderweg.
Der Lahnwanderweg ist ein 288 km langer Wanderweg im Lahntal und über die Höhen, der von der Quelle der Lahn bei Netphen über Marburg, Gießen, Wetzlar, Weilburg, Limburg, und Bad Ems nach Lahnstein an den Rhein führt. Der Lahnwanderweg ist damit die Verbindung zwischen dem Rothaarsteig in Nordrhein-Westfalen und dem Rheinsteig in Rheinland-Pfalz und über Koblenz den Moselsteig.
Hier rollten die Ketten und lärmten die Panzer. Ehemaliges Truppenübungsgelände mit Blick auf Dünsberg. Die Nacht war friedlich. Nur das kläffen einiger Wolfsnachfahren von einem Bauernhof auf halber Höhe durchbrach die Stille. Der Sternenhimmel war zum niederknien natürlich nicht vergleichbar mit der fast unbesiedelten Westküste Fuerteventuras. Aber für Mittelhessen ganz ordentlich! Im Morgengrauen wachte ich in meinem Biwaksack auf und erlebte den genialsten Sonnenaufgang Mittelhessens: hinter dem Berg der Kelten, dem Dünsberg. Leider verhinderten Muskelkrämpfe den Griff zur Nikon. Merke: Es ist nie eine gute Idee, vom Schreibtisch aufzustehen, und mit zwanzig Kilo Gepäck – ohnehin zu viel – los zuwandern.
Wie viele ehemalige Militärgelände dient der Standortübungsplatz als „Nationales Naturerbe Weinberg Magdalenenhäuser Hute“ inzwischen dem Naturschutz. Das NABU-Schutzgebiet beherbergt eine große biologische Vielfalt Nicht ohne Grund ist es als FFH- und Vogelschutzgebiet ausgewiesen und steht als Teil des Natura-2000-Netzes unter europäischem Schutz. Heute gehört das Gebiet zum Nationalen Naturerbe. Um es dauerhaft zu schützen, wurde es 2012 an die NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe übertragen.
Lahnwanderweg vor Oberndorf.
Braunfels mit Schloss.
Ab Innenstadt Braunfels war es mir selbst mit Auskunft der netten Dame vom Tourismusbüro und ihrer Karte nicht möglich, den Wanderweg zu finden. Ich gab entnervt auf. Wo es zum Tal geht war ohnehin klar. Unten angekommen, fragte ich mich zum Lahnwanderweg durch. Was mich dann erwartete, übertraf meine Erwartungen. Urwaldartiger geht es kaum in Mittelhessen. Kurzzeitig überlegte ich, hier meinen Biwacksack auszurollen. Leider war es noch zu früh am Tag. Ich hatte zwar nicht die Absicht, durch die Wälder zu hetzen. Vorankommen wollte ich aber schon.
Über Hirschhausen erreichte ich wieder das Lahntal. Auf dem Berg war es stürmisch. Deshalb baute ich mein Biwakzelt auf. Der vorhandene Unterstand war ohne Windschutz. Das dünne und in der trockenen Erde nur provisorisch befestigte Zelt flatterte die ganze Nacht im Wind.
Anders als in der echten Wildnis gibt es hier Stege. Sollte man nicht gering schätzen! Wenn die Füße erstmal nass sind ...
Und Parkbänke. Rast vor dem Anstieg zur ehemaligen Residenzstadt Weilburg. Instagrammtauglich, oder?
Das Schloss Weilburg ist eine der bedeutendsten barocken Schlossanlagen in Hessen. Es steht auf der Ostflanke eines zum Taunus gehörenden Bergspornes über der Lahn und bedeckt fast die Hälfte der Fläche der Weilburger Altstadt.
Ab Weilburg wanderte ich bis zur Mündung der Lahn in den Rhein bei Lahnstein den Lahnradweg weiter. Ich wollte noch in diesem Leben zu Fuß rund um Deutschland ankommen.
Zentren der Gewinnung des sogenannten Lahnmarmors waren neben Vilmar (im Bild) Balduinstein, Diez und Schupbach. Der Abbau dieses auch international nachgefragten Natursteins (Empire State Building: Wandverkleidung aus Lahnmarmor) reicht nachweislich bis in das 16. Jahrhundert zurück.
Konrad wird als erster deutscher König angesehen. Bei seinem Tod in Weilburg am 23. Dezember 918 veranlasste er mit dem Weilburger Testament seinen Bruder Eberhard zum Thronverzicht und die Übergabe der Königsinsignien an den Sachsenherzog Heinrich. Blick vom Lahnradweg auf den Lahnfelsen Bodenstein mit dem König-Konrad-Denkmalvon der.
Die Burg Runkel wurde erstmals im Jahre 1159 erwähnt, dürfte aber älter sein. Sie wurde von den Herren von Runkel zur Sicherung der Lahnbrücke erbaut.
Lahn am Lahnradweg vor Dietkirchen.
Die romanische Basilika St. Lubentius im Limburger Stadtteil Dietkirchen war bis ins 13. Jahrhundert die bedeutendste Kirche des Lahngaus.
Wegweiser Radweg R7 bei Dietkirchen.
Blick auf den Limburger Dom vom Lahnradweg.
Fischmarkt in der Limburger Altstadt.
Über einen Waldpfad im Limburger Westen lief ich Richtung Diez - das bereits in Rheinland-Pfalz liegt.
Auf dem - nun ja - Weg zur Teufelskanzel bei Diez.
Teufelskanzel.
Ich übernachtete neben einem Unterstand am Schloss Oranienstein.
Letzte Warnung in Diez: "Der Lahnwanderweg: Wanderweg mit Steigcharakter." Ich blieb lieber unten.
Schlossblick vom Lahnradweg. Diez war Stammsitz der Grafen von Nassau-Diez, die im 17. und 18. Jahrhundert als Statthalter in den Niederlanden Dienst taten und auf die das heutige niederländische Königshaus zurückgeht.
Es ging auch weniger anstrengend durch das Lahntal: Lahnradweg hinter Diez mit führerscheinfreiem Hausboot auf der Lahn. Ich merkte das mal vor. Werde ja nicht jünger.
Lahnidylle.
In der Innenstadt von Nassau traf ich wieder auf den Lahnwanderweg, der eigentlich ein Lahnhöhenweg mit streckenweise Steigcharakter ist (siehe Schautafel in Diez). Ich blieb unten an der Lahn. Wie gesagt: Höhenwege (wie später auch der Moselsteig) kann man mit einer Ausrüstung für Fernwanderungen (alles dabei) begehen, was nicht nur Christine Türmer („Laufen.Essen.Schlafen.“) bewiesen hat. Man braucht nur ein Vielfaches der Zeit, Kraft und Ausdauer, die man für Talwanderungen benötigt. Nebenbei: Mit Höhenangst wird jede Strecke ungleich länger. Auf Mutproben hatte ich keine Lust. Sie sind zu sehr von meiner Tagesform abhängig. Merke: Das Lahntal ist nur die Ouvertüre. An der Grenze zu Luxemburg angekommen, beginnt meine Wanderung rund um Deutschland erst. Mit dem Oldtimerrad waren das vor Jahren noch etwa sechstausend Kilometer (Grenzlänge netto 3.714,0 km) bis zurück nach Wetzlar.
Rastplätze waren mir daher - wie hier gegenüber von Dausenau - stets willkommen. Meine Forderung: mehr Bänke! Wenn ich einst König von Deutschland ...
Lahnradweg vor Bad Ems.
Jacques-Offenbach-Promenade im Kurviertel von Bad Ems. Im 17./18. Jahrhundert galt Ems als einer der berühmtesten Badeorte Deutschlands. Seine Glanzzeit erlebte der Ort im 19. Jahrhundert als „Weltbad“ und Sommerresidenz zahlreicher europäischer Monarchen und Künstler, unter anderem Kaiser Wilhelm I., die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. von Russland, Richard Wagner, Wassili Wereschtschagin, Fjodor Michailowitsch Dostojewski etc.
Die Veröffentlichung der Emser Depesche trug zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 bei, der zur Gründung des Deutschen Reiches führte.
In dem regierungsinternen Telegramm vom 13. Juli 1870 unterrichtete der Diplomat Heinrich Abeken den norddeutschen Bundeskanzler Otto von Bismarck in Berlin über die Vorgänge in Bad Ems. Der Bundeskanzler informierte daraufhin die Presse. Diese Pressemitteilung wird zuweilen mit der eigentlichen Depesche verwechselt, weil Bismarck großteils den Wortlaut der Depesche wiederverwendete. Sie führte zu Empörung in Frankreich und gilt als ein Auslöser des Deutsch-Französischen Krieges.
Hintergrund: Im Jahr 1867 war der Norddeutsche Bund gegründet worden, ein Bundesstaat unter preußischer Führung. Frankreich unter seinem Kaiser Napoleon III. sah in dem neuen Staat einen Konkurrenten um die Vorherrschaft in Europa. In dieser Lage kam es zu mehreren diplomatischen Krisen, wie der Thronfolge-Frage in Spanien. Napoleon III. und seine Regierung lehnten vehement Leopold ab, einen Prinzen aus dem Hause Hohenzollern. Der französische Botschafter Vincent Benedetti reiste in den Kurort Bad Ems und sprach dort mehrmals mit König Wilhelm. Der König sollte für alle Zukunft eine erneute Kandidatur von Hohenzollern ausschließen. Höflich verweigerte sich Wilhelm einer solchen Zusage. Abeken, der Mitarbeiter Bismarcks beim König in Bad Ems, informierte den Bundeskanzler im fernen Berlin darüber. Seine Emser Depesche beinhaltete auch den Wunsch Wilhelms, die Presse über den Kontakt mit dem französischen Botschafter zu informieren. Bismarck stellte in seiner Pressemitteilung den Kontakt als besonders schroff dar. Dies wurde in der französischen Öffentlichkeit als Provokation angesehen, in Deutschland führte sie hingegen zu Begeisterung. Aus der Frage der Thronfolge und diplomatischen Nadelstichen war eine Frage der nationalen Ehre geworden.
Lahnradweg zwischen Bad Ems und Fischbach
Auch eine hässliche Brücke kann entzücken: Ich übernachtete nach einem langen Fußmarsch an diesem Rastplatz am Lahnradweg in Fachbach unter der B 260.
Lahn vor Lahnstein.
Lahnstein: Ende des Lahnwanderweges kurz vor der Mündung der Lahn in den Rhein.
Ab Lahnstein folgte ich dem Rheinradweg bis Koblenz.
Trotz Gewitterwarnung lies ich mich von diesem Blick auf die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz verführen und rollte meinen Biwaksack unter dem Baum aus. Innerhalb von Minuten stand um Mitternacht die Aussichtsplattform unter Wasser. Schlaftrunken raffte ich meine Habseligkeiten zusammen und verfügte mich unter das einzige Vordach weit und breit.
Am nächsten Morgen präsentierte sich die Koblenzer Altstadt regengrau. Ich lief über die Moselbrücke und dann auf dem Moselradweg Richtung Trier. Nach meiner Erfahrung mit dem Lahnhöhenweg gab ich mein ursprüngliches Vorhaben auf, den Moselsteig bis Perl am Grenzdreieck Luxemburg, Frankreich und Deutschland (Schengen) zu wandern. Das wäre mit Weitwandergepäck eine Herausforderung ähnlich dem Appalachian Trail. Der Moselsteig ist mit Tagesgepäck allerdings gut machbar. So ist er auch konzipiert.
Kurz vor dem Weinort Winningen erwischte mich erneut ein Wolkenbruch. Auf dem Marktplatz neben der Festspielbühne fand ich einen Unterstand und breitete meine nassen Klamotten aus.
Copyright: WIKI Marktplatz Winningen (Mosel) - selbst fotografiert (Klaus Graf) - CC BY
Buddha-Museum im Weinort Traben-Trabach.
Allzu oft verläuft der Moselradweg an der Bundesstraße - wie hier hinter Traben-Trabach.
Moselradweg vor Wolf.
Bei Ausgrabungen einer römischen Villenanlage aus dem 3. Jahrhundert wurde in Kindel ein Hochrelief des Schlegelgottes Sucellus entdeckt. Einzigartig bei diesem Fund ist die Tatsache, dass dieser keltische Gott neben seinem Schlegel auch Weintrauben und Weinlaub bei sich trägt. Er gilt daher als ältestes Zeugnis für einen Weinbau an der Mosel.
Mosel-Radwegweiser zwischen Traben-Trarbach und Bernkastel-Kues.
Lösnich wird seit Jahrhunderten vom Weinbau und Tourismus geprägt.
Steilhanglage bei Erden. Die Moselregion stellt das größte Steillagenweinbaugebiet der Welt und mit über 5.300 ha die größte Rieslinganbaufläche weltweit dar. In der Region wurden 2012 669.125 Hektoliter Wein produziert.
Bau eines Hochmoselübergangs der Bundesstraße 50 bei Lösnich durch das Landschaftsschutzgebiet des Moseltals. Durch seine Größe – so Kritiker - stelle der Hochmoselübergang einen erheblichen, nicht ausgleichbaren Eingriff in das Landschaftsbild dar, was sich negativ auf den Tourismus auswirke. Zudem erwarte man eine Störung des Wasserhaushaltes der weltbekannten Weinlagen Wehlener Sonnenuhr, Zeltinger Himmelreich, Graacher Himmelreich und Bernkasteler Doctor, weil die Strecke auf dem sogenannten Moselsporn – einem Ausläufer des Hunsrück – nahe an der Abbruchkante bis zu 15 Meter tief in den Boden gegraben wird.
Bernkastel-Kues. Geburtsort des mittelalterlichen Kirchenmanns und Philosophen Nikolaus von Kues (Cusanus).
Sehenswert ist in Bernkastel der mittelalterliche Marktplatz mit seinen Giebelfachwerkhäusern aus dem 17. Jahrhundert, unter denen das aus dem Jahre 1416 stammende schmale Spitzhäuschen besonders hervorsticht.
Steilhanglagen bei Piesport.
Und nochmal: Steilhanglagen gegenüber Piesport.
Neumagen-Dhron beansprucht neben einer Reihe anderer Orte den Titel Ältester Weinort Deutschlands für sich. Es ist der Fundort des Neumagener Weinschiffs, eines in Stein gehauenen Schiffs. Es befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum Trier. Eine Kopie ist in der Ortsmitte zu besichtigen.
Gegenüber von Mehring lud mich diese Bank am Moselradweg zum übernachten ein.
Mehring in der Dämmerung.
Mosel-Radwegweiser in Riol.
Radweg trifft B 602 hinter Longuich.
Die Porta Nigra (lateinisch für „Schwarzes Tor“) ist ein ab 170 n. Chr. errichtetes früheres römisches Stadttor und das Wahrzeichen der Stadt Trier.
Etappenziel Trier erreicht. Selfie vor der Porta Nigra: Guido Block-Künzler nach drei Wochen auf der Landstraße. Nicht unbedingt dienstausweistauglich.
Das nächtliche Unwetter verbrachte ich unter einem Vordach im Trierer Bahnhof. Kluge Entscheidung. Der Starkregen war nicht von schlechten Eltern.
Zurück in Mittelhessen: Guido Block-Künzler am Bahnhof in Bad Salzschlirf.
Damit kam ich pünktlich an zur Eröffnung des Internationalen Schlitzer Trachtenfestes (Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“), das ich gemeinsam mit etwa dreißigtausend UreinwohneInnen, BesucherInnen, Familie, Freundinnen und Freunden feierte.
2.Etappe: Trier - Saarluis
Im nächsten Sommer (2018) setzte ich meine Wanderung rund um Deutschland fort. In Trier war gerade Stadtfest.
Ich passte besser in den Wald. Auf Stadtfest war ich alleine vom Outfit her nicht eingerichtet. Hätten sie einen Festumzug gehabt, wäre ich als Waldschrat mitgegangen.
Mit meinem tonnenschweren Rucksack wühlte ich mich wie ein Fremdkörper durch die feiernde und ausgelassene Menschenmenge zum Geburtshaus von Karl-Marx, dessen 200ter Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wurde. Was sah ich? „Been there-done-that«-Traveller: Asiatische Touristen, die gerade noch reingelassen wurden.
Mir blieb nur der Blick durchs Fenster.
Im Süden von Trier wanderte ich entlang der B 49, die kurz danach in die berüchtigte B 51 Richtung Saarbrücken übergeht.
Sobald es ging, stieg ich zum Radweg an der Mosel hinab.
Vor Konz gegenüber dem Trierer Yachthafen ging an diesem Abend nichts mehr. Fußtechnisch. Wer zum Teufel packt mir immer wieder diese tonnenschweren Sachen ins Gepäck?
Nicht einsam: Moselradweg vor Konz.
Die Mündung der Saar in die Mosel ist kaum zu verfehlen. Welche Droge ...
Egal welchem Radweg ich nun folgte: Durch die engen Täler der Saar und der Mosel würden mich Bundesstraßen und Bahnverbindungen begleiten. Ich warf eine Münze. Der Saarradweg gewann. Es war eh egal. Nur wusste ich, dass mich in Kanzem ein idyllischer Dorfbrunnen mit trinkbarem Wasser erwartete.
Wie ziemlich genau drei Jahre zuvor auf meiner Oldtimer-Radtour rund um Deutschland übernachtete ich auch diesmal hier. Sie Idylle erschließt sich nur, wenn man auf die unverbaute Aussicht zur Saar blickt.
Nämlich hierhin! Der Dorfbrunnen liegt gegenüber den Jauchschen Weinbergen (von Othegraven, seit 7. Generationen im Familienbesitz), der hier nach seinem Abschied vom Sonntagssmaltalk eine neue Beschäftigung gefunden hat. Seine Großmutter war eine geborene von Othegraven, woher sich der Name des Weinguts ableitet. Othegraven Riesling Kanzemer Altenberg Großes Gewächs VDP Große Lage 2016 ist für 30 EUR zu haben.
Saartal hinter Kanzem.
Für ein Hotel mit diesem Blick – das es im übrigen nicht gibt – hätte ich viel Geld hinlegen müssen.
Saarburg vom Saar-Radweg.
Saar-Radweg hinter Saarburg. Die Idylle trügt. Linker Hand verläuft die stark befahrene B 51 nach Saarbrücken.
Quod erat demonstrandum (w.z.b.w.). Nach der Staustufe geht es direkt an der B 51 weiter. Ungeeignet zum Wandern - vorsichtig gesagt. Wer hier weiterläuft, muß im engen Tal kilometerlang die Bundesstraße ertragen. Gegenüber kommt nach der Staustufe ein Steilhang. Mein Tipp: Wer nicht schwimmen will (Vorsicht: Die Saar ist eine Bundeswasserstraße!) sollte von Saarburg bis Mettlach den Zug nehmen.
Der offizielle Radweg des mit vier Sternen vom ADFC zertifizierten Saar-Radweges führt nach einigen Kilometern über diese Rampe zum gegenüberliegenden Ufer. Vorteil: Man fährt/läuft nicht mehr direkt an der B 51 sondern ist durch die Saar getrennt. Immerhin. Nachteil: Ich kenne keine Droge, die mich auf dieses Betonkonstrukt in zwanzig Metern Höhe über die Saar bringen würde. NEVER, EVER! Gehts noch? Wie wäre es mit einer subventionierten Fähre - Stichwort: RadLand Rheinland-Pfalz - für Fußgänger und Radler?! Kostet den Bruchteil eines Kilometers Bundestraße.
Der Lärm des Tagebaus erfüllte das Saartal. Wenig später verführte mich ein Wegweiser "Waldwanderparkplatz 700 Meter". Ich fand ihn nicht. Statt dessen landete ich in der Warteschleife für die tonnenschweren Fahrzeuge. Man sprach Französich. "Waldwanderparkplatz" gehörte bereits vor über vierzig Jahren nicht zu meinem Grundvokabular. Völlig erschöpt baute ich mein Tarp am Wegesrand so auf, dass ich nicht versehentlich plattgewalzt wurde. Irgendwann stoppte dass Mahlwerk, sehr viel später auch der Verkehrslärm der B 51 und der Bahntrasse unter mir. Es wurde gespenstisch still. Der Mond schien hell und tauchte die Landschaft in ein unwirkliches Licht. Die Geräusche des Waldes übernatürlich. Der Schrei eines Käuzchens hätte jedem Horrorfilm eine perfekte Untermalung gegeben. Fast wünschte ich mir den Verkehrslärm zurück. Der kam im Morgengrauen. Fünf Stunden später. Meine Unterarme waren mit juckenden Pusteln übersäht. Ich lief den RiesenLKWs entgegen runter ins Saartal zu B 51.
Nach einem Kilometer auf dem Saar-Radweg (Alternativroute) der B 51 erreichte ich endlich das Saarland. Ich hatte Durst. Am frühen Morgen brannte mir die Sonne aufs Hirn. Gegenüber von Saarburg war ich den halben Vormittag auf der erfolglosen Suche nach einem Supermark (da drüben ...) gewesen, hatte danach in Serrig (ein Bäcker, ein Metzger) immerhin am Friedhof meinen Wasserschlauch gefüllt. Doch vier Liter Wasser sind bei weit über dreißig Grad einfach zu wenig. Noch ein viertel Liter bis Mettlach. Und das waren noch endlose vier Kilometer in sengender Hitze.
Demotivierend: Mit dem Auto hätte ich von Trier nicht mal eine halbe Stunde gebraucht.
Am Ortseingang von Mettlach rettete mich der Getränkemarkt an der Saarschleife vor dem Verdursten. Der französiche Franchise-Betreiber war nett. Ich kaufte neben viereinhalb Litern Mineralwasser noch Kekse und destilierten Birnensaft - um die Saarschleife zu feiern. Eigentlich wollte ich das Villeroy und Boch Museum noch besichtigen. Es ist im ersten Stock. Nach all den Strapazen war es für mich unerreichbar. Noch immer dehydriert und mit bleischweren Muskeln ... Sorry.
Saar-Radweg in der Saarschleife.
Die Saarschleife beginnt kurz hinter Mettlach und endet im Merziger Stadtteil Besseringen. Die Luftlinie beträgt nur etwa zwei Kilometer. Die Saar macht jedoch einen Umweg über nahezu zehn Kilometer. Sowohl auf der Innen- wie auf der Außenschleife verläuft ein durchgehender Wander- und Radweg. Ein etwa 100 Hektar großes Gebiet westlich der Saarschleife steht als Steinbachtal westlich Saarschleife unter Naturschutz
Saar-Radweg in der Saarschleife.
Saar-Radweg in der Saarschleife.
Saar-Radweg in der Saarschleife.
Saar-Radweg in der Saarschleife. Neben dem einzigen Gebäude (wohl des Wasserwirtschaftsamtes) in der Saarschleife stellte ich mein Tarp auf, da es zunächst nach Unwetter aussah (normal hätte mir der Biwaksack gereicht). Trotzdem wäre ich wohl abgesoffen. Schlammige Überreste zeugten von vergangenen Starkregen. Auch der Tiefenerder des Blitzableiters trug nicht zu meiner Beruhigung bei. Ich rückte nochmal fünf Meter weiter - aber auch das hätte mir bei einem (zugegeben unwahrscheinlichen) Einschlag nicht wirklich geholfen. Ich bereitete mich gedanklich darauf vor, das Unwetter im Starkregen zu verbringen. Hatte ich bereits an der Ostsee - so what. Statt dessen später Vollmond, der die Sterne überstrahlte. War mir allemal lieber. Kein Zivilisationsgeräusch drang zu mir vor. Direkt hinter mir, am Fuß des Steilhanges, begann das Naturschutzgebiet.
Saar-Radweg in der Saarschleife. Frühstücksblick. Es gab Porridge (warm, eklig, nahrhaft, leicht zu tragen), Kaffee und Schokokekse. Ich ignorierte das "Baustellengerüst" des Freizeitparks über dem berühmten Aussichtspunkt Cloe. Am Talende angelangt, war der Freizeitlärm unüberhörbar. Schulklassen, die Naturlandschaft zum Funpark werden lassen, haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein gutes Umweltbildungskonzept.
Saar-Radweg in der Saarschleife.
Saar-Radweg in der Saarschleife - mit Bespassungsgerät.
Saar-Radweg in der Saarschleife. This is the end.
Am Ende Hinweisschild "Wilkommen im NSG Saarsteilhänge/Lutwinuswald".
Vor Besseringen aus kann man mit der Fähre übersetzen und über die Innenschleife zurückgehen/-fahren. Ich lief auf dem Saar-Radweg weiter nach Merzig.
"Wasserloch" am Wohnmobilstellplatz in Besseringen.
Schilderwald gegenüber dem Fähranleger vor Besseringen.
Saar-Radweg vor Merzig.
Saar-Radweg hinter Merzig - direkt an der BAB 8.
Saar-Radweg: Lagern zwischen Autobahn BAB 8, Saar,
L 174 und Schiene ...
... machte meine am Vortag ausgebrochene Allergie auch nicht besser.
Bis Saarluis waren es noch über elf Kilometer - ohne Wasser und bei glühender Sonne. Wer braucht da noch das Abenteuer einer Sahara-Durchquerung?
Saar vor der Staustufe Beckingen. Auch hier trügt die Idylle: Links direkt hinter der Baumreihe verläuft weiterhin die BAB 8.
Saar-Radweg und gut versteckte BAB 8.
Mit letzter Kraft und fast verdurstet erreichte ich Saarluis. Ich räumte die wichtigsten Sachen in meinen Packsack und stellte den tonnenschweren Rucksack auf eine Parkbank. Nach wenigen hundert Metern tauchte an der Saarbrücke der Globus auf. Da war kein Halten mehr. Nach dem ersten Liter eiskalter Buttermilch kamen meine Lebensgeister zurück. Ich nahm meine Umgebung wieder wahr. Was ich sah, gefiel mir nicht. Freitag Abend ist kein guter Zeitpunkt … Ich schnappte mir einen Sixpack und viereinhalb Liter Wasser für meinen Wasserbeutel und machte mich vom Acker.
Nachdem ich das Tarp aufgestellt hatte befasste ich mich ausgiebig mit dem Sixpack und schaute den Anglern tiefenentspannt beim Fische füttern zu.
Tiefenentspannt schlief ich nach einem letzten Blick aus meinem "Hotelzimmer" auf die Saar ein.
Am nächsten Morgen frühstückte ich mit den reviereigenen Schwänen.
Schnorren aussichtslos. Nicht bei mir!
Und dann nix wie weg. Nur 1,8 km bis zum Bahnhof.
Erstmal nach Hause, die Allergie abklingen lassen. Und dann weiter im Herbst durch den Pfälzer Wald zum Rhein. Keine zehn Pferde werden mich jedoch auf die Reststrecke des Saar-Radweges nach Saarbrücken bringen, denn es wird noch schlimmer. Teilweise verläuft sie fast unter der Autobahn. Das muss ich mir nicht erneut (siehe "Rund ums Saarland") geben.