ock-Künzler, Guido: Einmal Sylt und zurück
Mit dem Rad rund um Schleswig-Holstein
1. Auflage, BoD.
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
© Guido Block-Künzler. Alle Rechte vorbehalten
Umschlagphoto, Bilder und Gestaltung: Guido Block-Künzler
ISBN: 978 384 824 1736
Voraussichtlicher Erscheinungstermin: Frühsommer 201
Inhalt
Sylt
„Ich will wieder an die Nordsee, ohoho / Ich will zurück nach Westerland!“ (Die Ärzte)
Niebüll
Marschland - drei Meter über Normalnull
Flensburg
„Seid nett aufeinander.“ (Beate Uhse)
Schlei
Das Brackwasserparadies
Ekernförde
„Kopp un Steert sünt nix weert.“
Kiel
„Lewwer duad üs Slaav!“ (Detlev von Liliencron)
Wagrien
"So war der Friede im Land der Wagrier, und die junge Pflanzung nahm durch Gottes Gnade immer mehr zu.“ (Helmold von Bosau)
Travemünde
„So packte sie eilig und vergnügt ihren Koffer … Nach Travemünde geht es immer geradeaus …“ (Thomas Mann)
Lübeck
„Mehr Demokratie wagen.“
(Herbert Ernst Karl Frahm - besser bekannt als Willy Brandt)
Alte Salzstraße
Travensalz - das weiße Gold aus Lüneburg
Lauenburg
Jürgen Christian Findorff: „Vater aller Moorbauern“
Geesthacht
Mit der Elbe durch Hamburg
Wedel
Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft: Völkerverständigung bei gehobener Gastronomie
Wilstermarsch
Das Ding am Deich: „Todgeweihten zeigt man nicht den dicken Finger!“ (Mein Freund Peter aus Lüneburg)
Dithmarschen
„Freie Bauernrepublik“
Eiderstedt
Mehr als Sankt Peter-Ording
Husum
„Am grauen Strand, am grauen Meer …“ (Theodor Storm)
Nordstrand
„Heut bin ich über Rungholt gefahren, die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren. Noch schlagen die Wellen da wild und
empört ….“ (Detlev von Liliencron)
Dagebüll vor Sylt
Zum Abschluss doch noch eine (ehemalige) Hallig
Anhang
Für die Unersättlichen
Literatur über Schleswig-Holstein
Radfernwege in Schleswig-Holstein
Ein Überblick
Genießen in Schleswig-Holstein
Mit dem Gaumen entdecken
Eine kurze Geschichte Schleswig-Holsteins
Wie wurde, was ist
Fotonachweis
Bildkommentare
Leseprobe
Guido Block-Künzler: Einmal Sylt und zurück.
Mit dem Rad rund um Schleswig-Holstein.
Sylt
„Ich will wieder an die Nordsee, ohoho / Ich will zurück nach Westerland!“ (Die Ärzte)
KiK? Ich reibe mir die Augen. Das erste, was ich von Sylt sehe, ist die schreiend rote Filiale des Textildiscounters. Um die zweitausendsechshundert Läden hat er in Deutschland. Tendenz: steigend. Eine davon steht am Beginn der Fußgängerzone in Westerland. „Aha. Auch die Schönen und Reichen müssen sparen!“ denke ich spontan. Wo doch grad jede Menge Geld durch die sogenannte Finanzkrise verdampft ist – und aus Milliadären prekäre Millionäre machte, die sich ihre Luxusjachten auf Mallorca kaum noch leisten können.
Ist das hier eine Edel-Filiale? Wohl eher nicht. Der seltsame KiK-Geruch dringt bis an die Tür. Architektonisch kann das Zentrum der Insel mit seinen schmucklosen Gebäuden nicht mit den reetgedeckten Dörfern wie Kampen, Keitum oder Rantum mithalten. Aber dafür bietet die einzige Stadt der Insel etwas für (fast) jeden Geschmack. Meiner ist nicht dabei. Eines ist sie aber gewiss nicht: ein Promi-Treff. Deren Musik spielt in Kampen. Erschwinglich ist für Otto-Normalurlauber dort nur die Boule-Bahn im Dorfpark. Sie kostet nämlich: nichts! Sylt kann ein teures Pflaster sein - wenn man’s drauf anlegt. Auf der Insel trifft sich die High Society. Und die, die sich dafür hält. Die Kleinstadt-Schickeria klebt sich gerne den Schattenriss der Insel auf die S-Klasse.
Ich schiebe mich durch die Fußgängerzone bis zum Stranderlebnispark. Genug gesehen. Dort nehme den nächsten Radweg an die Südspitze nach Hörnum, der an der stark befahrenen Landstraße entlang geführt wird. Meine Hoffnung, eine Schutzhütte zu finden, erfüllt sich nicht. Ein Wartehäuschen muss für diese Nacht ausreichen. Immer noch herrscht reger Verkehr. Brummmbrumm. Mittelklassewagen sind eher selten. Grellles Scheinwerferlicht blendet mich. Am nächsten Tag werde ich feststellen, dass ein Steinwurf weiter eine Luxusschutzhütte mit Wattblick auf mich wartete. Shit happens!
Am Morgen breche ich auf zu einer einsamen Strandwanderung. Die gehört zu den schönsten Erlebnissen, die man auf der Insel haben kann. Und zu den billigsten! Vierzig Kilometer Sandstrand am Stück. Das ist in Deutschland nur noch auf Usedom zu haben. Und so schön wie auf Mallorca! Nur länger.
Später wird ein Miniaturpudel durch die zurückkommende Flut getragen. Er ist offensichtlich kein Waterdog. Am Radweg entlang der Landstraße fahre ich zur Südspitze nach Hörnum. Die Fischbude ist gut besucht. Dahinter auf dem Deich steht ein Schild: „Esst mehr Crepes. Rettet die Fische!“ Ebenfalls gut besucht. Wirkt hier schon die Propaganda der GRÜNEN? Auf dem Rückweg fahre ich durch die Dünen auf der Wattseite.
Am späten Nachmittag braut sich bei Kampen nichts Gutes zusammen. Ich verkrieche mich in eine Schutzhütte vor den Dünen beim sogenannten Vogelnest. Das ist eine gute Idee. Kurze Zeit später geht die Welt unter. Danach herrscht wieder eitel Sonnenschein. Die Abendsonne spiegelt sich gefällig in den mittelgroßen Seenplatten auf dem Radweg. Ruhe vor dem Sturm. In der Nacht zieht ein schweres Gewitter auf. Beinahe im Sekundentakt blitzt und donnert es. So etwas habe ich noch nicht erlebt. „Jetzt auf einem Segelboot in der Nordsee.“ Brrr. Ich würde mir die Hosen vollmachen. Wie halten das Weltumseegler aus? Sedidativum? Joga? Kismet? Oder klassisch: Beten? Ich möchte jedenfalls jetzt nicht da draussen sein. Und hier oben auch nicht. Unter mir liegt ein Jugendheim. Ich ziehe mir den Regenponcho über, schleiche durchs Drehkreuz, gehe durch die Sintflut vorsichtig die glitschigen Teppen hinunter und stelle mich am großzügig dimensionierten Grillplatz unter. Unter Strom stehe ich sowieso. Der muss nicht noch von oben kommen. Nach einer halben Stunde ist das Inferno vorbei.
(Quelle: WIKIPEDIA, Urheber: bgw)
Mit dem Rad rund um Schleswig-Holstein
Ein Radreisebericht mit kommentierten Bildern
Das erste, was ich von Sylt sah, war der Bahnhofsvorplatz in Westerland. Dort beginnt die Fußgängerzone mit einer Filiale von KIK. „Aha. Auch die Schönen und Reichen müssen sparen!“ Ich schob mich hindurch bis zum Strand und nahm den nächsten Radweg an die Südspitze nach Hörnum, der an der stark befahrenen Landstraße entlang geführt wird. Am nächsten Tag in Hörnum sah die Insel dann so aus, wie iuch sie mir vorgestellt hatte.
Am späten Nachmittag braute sich bei Kampen im Inselnorden nichts Gutes zusammen.
Ich verkroch mich in eine Schutzhütte. Das war eine gute Idee. Kurze Zeit später ging die Welt unter. In der Nacht zog ein schweres Gewitter auf. Beinahe im Sekundentakt blitzte und donnerte es. So etwas hatte ich noch nicht erlebt.
Am nächsten Morgen war der Himmel blau: schönstes Urlaubswetter!
Am Weststrand (insgesamt vierzig Kilometer!) ganz im Norden (Ellenbogen) zog es sich jedoch wieder zu.
Hinter List stieg ich auf eine Düne und hatte diesen herrlichen Blick auf das Watt.
Ich folgte dem Radweg auf der Wattseite und fuhr über Kampen und Keitum zum Bahnhof von Großmorsum. Zusammen mit dem Gesinde verließ ich die schöne Insel.
Von Niebül nach Flensburg hatte ich eine angenehme Fahrt durch flaches Gelände – und den Wind im Rücken!
Das änderte sich ab Flensburg. Hier begann wieder das Endmoränenrodeo. In MeckPomm hatte ich es im Jahr zuvor bereits kennengelernt.
Daher nahm ich diese Einladung bei Kappeln an der Schlei
gerne an …
… zumal mir freundliche Menschen eine Schutzhütte …
… mit Blick auf die Schlei an den Radweg gestellt hatten.
Am nächsten Tag musste ich zurück nach Kappeln auf den Ostsee-Radweg. Ich hatte mich schlicht verfahren.
In Damp begann es dann zu schütten.
Für den Rest des Tages kam ich aus meinem Ostfriesennerz (immer noch das Beste, was der Markt gegen Dauerregen zu bieten hat) nicht mehr raus. Der hatte zwar den Vorteil, daß der Regen nicht bis zur nackten Haut vordrang – dafür entstand darunter eine Saunatmosphäre, die mich in feuchtwarme Wickel hüllte. Glücklicherweise hatte ich Klamotten zum Wechseln dabei.
Ab und zu sah ich aber auch ein Stückchen blauen Himmel.
In Eckernförde schien sogar die Sonne, wenn man - wie ich - am richtigen Strand der Bucht war.
Am Abend erlebte ich sogar einen grandiosen Sonnenuntergang über der Eckernförder Bucht.
Am nächsten Morgen war der Himmel aufgeräumt.
In Strande überlegte ich, mit der Fähre nach Laboe überzusetzen oder mich in die Innenstadt von Kiel schippern zu lassen. Ich wurde jedoch aus dem Fahrplan nicht schlau. Das war ein Glück.
Fähre fahren durfte ich trotzdem: über den Nord-Ostsee-Kanal. Kostenlos! Ich hatte mir zuvor tagelang präventiv in die Hose gemacht, weil ich dachte, ich müsse über die Brücke. Vierzig Meter Abgrund. Oh je!
Und nun zum Glück: Ich verbrachte einen wundervollen, entspannten Nachmittag an der Kieler Förde. Ich packte meinen Sturmkocher (links unten im Bild) aus und richtete mir meine Küche an der Strandpromenade ein. „Soll ich dich fotografieren? Das glaubt dir daheim sonst niemand!“ „Logo!“ So entstand das Portrait „Naturfreundehippie vor Kieler Förde“. Fotograf unbekannt. Danke. Ich entkorkte eine Flasche Roten, um das Glück abzurunden und schaute mir an, wie Segler und dicke Brummer die Bucht durchpflügten.
Tiefenentspannt radelte ich später um die Bucht herum. Mich in das Getümmel der Kieler Innenstadt zu stürzen, lag mir fern. Am Abend lagerte ich gegenüber dem Nord-Ostsee-Kanal am Strand. Regen war ausnahmsweise nicht vorhergesagt. Das war Entschleunigung pur!
Entspannt ging es am nächsten Tag weiter. Diesmal kochte ich mir mein Mittagessen mit Blick auf ein Naturschutzgebiet hinter Laboe.
Und es ging weiter so. An der Hohwachter Bucht „lud mich dieses Naturschutzgebiet zum verweilen ein“- wie es in Reiseführerprosa beschrieben worden wäre.
In der Schutzhütte unter dem Beobachtungsstand hatte ich viel Besuch. Danke für die anregenden Gespräche!
Der Tag ging zu Ende mit einem fototapetenwürdigen Sonnenuntergang.
Die "Fete" vom Vortag steckte mir am nächsten Tag in den Knochen. Irgendwo auf einem Stoppelfeld hielt ich – entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten - ein ausgiebiges Mittagsschläfchen. Weit kommt man so nicht. Ich daher nur bis zum Weißenhäuser Strand, wo ich meine Küche am Strandzugang einrichtete. In der Nacht hörte die anhaltendeTiefenentspannung abrupt auf: Ein Gewitter mit Starkregen trieb mich unter das Vordach des örtlichen EDEKA.
Am nächsten Tag schien in Heilighafen wieder die Sonne.
Tiefenentspannung setzte trotzdem nicht mehr ein. Auf dem Weg von Heilighafen Richtung Fehmarn hatte ich zwei Reifenpannen – eine arge Prüfung in Sachen Gelassenheit! Es wurde immer später. Langsam Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Obwohl das Wetter nichts Gutes verhieß, biwakierte ich am Strand bei Seekamp. Das war alternativlos. Kaum war ich im Biwaksack, da öffnete der Himmel seine Schleusen. Es regnete – mit kurzen Unterbrechungen – die ganze Nacht. Am nächsten Morgen hängte ich Alles erstmal in den Wind.
Richtig trocken wurden die Sachen nicht – aber der nächste Regen zog bereits auf. Später am Tag regnete es ununterbrochen über vier Stunden. Ich verbrachte die Zeit in einem Wartehäuschen. Ohnehin hatte ich wieder einmal einen Platten.
Es sollte an diesem Tag nicht der Einzige bleiben. Vor Dahme saß ich wieder auf den Felgen. Gesetz der Serie. Der örtliche Tankstellenbetreiber war gottseidank auf solche Fälle eingerichtet, denn mir waren die Flicken ausgegangen.
Hinter Dahme kam ich am Leuchtturm von Dahmeshöved vorbei. Sein Blinken diente während des DDR-Regimes als Orientierung für die Flucht in den Westen. Nach dem Mauerbau versuchten mindestens 6500 Menschen die Flucht über die Ostsee. Nur etwa 900 gelang sie. Mindesten 189 starben dabei.
Mit Grömitz auf der Halbinsel Wagrien erreichte ich eines der ältesten Ostseebäder (1813). Außer der Kircheaus dem 12. Jahrhundert hat der Ort jedoch keine historisch bedeutsamen Stätten mehr. Mitte der 1960er Jahre wurde ein moderner Yachthafen gebaut, der heute zu den größten und bedeutendsten Marinas der Ostsee zählt.
Oberhalb der Steilküste hinter Grömitz biwakierte ich und erlebte einen romantischen Mondaufgang. Caspar David Friedrich ließ grüßen.
Am nächsten Tag fuhr ich über Neustadt und den Timmendorfer Strand nach Travemünde. Meinen letzten Abend an der Ostseeküste verbrachte ich über einem Steilhang an der Lübecker Bucht…
… zu Füßen dieser originellen Parkbank.
Am nächsten Tag fuhr ich weiter nach Lübeck. Hinter dem Holstentor beginnt der Radwanderweg „Alte Salzstraße“, der mich am Elbe-Lübeck-Kanal entlang bis Lauenburg führte.
Aus der Stecknitz wurde schon im 14. Jahrhundert ein Kanal für den Salztransport aus Lüneburg.
Zu Zeiten der Hanse wurden große Teile des Lüneburger Salzes mit diesen Kähnen (hier die Rekonstruktion einer mittelalterlichen Salz-Prahm) in den Ostseeraum hinein als Grundlage auch für den Heringshandel exportiert.
„He Alter! Hier is Schluss.“ Von Lauenburg sah ich nicht viel, da der Radweg durch Baumaßnahmen blockiert war. Umleitung Fehlanzeige – wie so oft. Mühsam suchte ich mir einen Weg und landete schließlich auf dem Rundweg um Lauenburg. In der Abenddämmerung hatte ich mitten im Wald zwischen Lauenburg und Geesthacht das Glück, auf diese Schutzhütte zu treffen.
Am nächsten Morgen saß ich nach wenigen Minuten wieder auf den Felgen. Wurde langsam zur lästigen Gewohnheit. Bis Geesthacht war auf dem Elbe-Radweg schieben angesagt, da ich tags zuvor meine Pumpe verloren hatte. Shit happens. Immerhin regnete es nicht!
Von Geesthacht fuhr ich – weitgehend – auf dem Elbe-Radweg über Hamburg nach Wedel (siehe „Rund um Hamburg“).
Hinter Wedel saß ich erneut auf den Felgen – unglaublich, aber wahr! Am Rande eines Parkplatzes vor dem Deich - umgeben von einem Naturschutzgebiet - schlug ich mein Biwakzelt auf, denn der Himmel verhieß nichts Gutes. Er bot aber einen schönen Sonnenuntergang. Glück im Unglück: Ich hatte in der Abenddämmerung ein wirklich gutes Gespräch mit zwei jungen Leuten, die auf dem Heimweg nach Geesthacht waren.
In Elmshorn hatte ich die Faxen dicke und tauschte den Mantel aus. Der Baumarktqualitätsreifen hielt genau zwei Wochen bis zum Jadebusen durch.
Über Glückstadt wo Markttag war ….
… fuhr ich weiter Richtung Brokdorf. Nur sehr träge machten die Deicharbeiter den Radweg frei.
Blick vom Deich auf die Elbe.
Auf dem Rückweg von Dagebül nach Wedel konnte ich es Tage später nicht lassen, dem AKW einen eigenwilligen Gruß zu entrichten.
Vor Brunsbüttel überquerte ich mit der Fähre den Nord-Ostsee-Kanal.
In Edellak – Kreis Dithmarschen - fuhr ich an dieser Schönheit vorbei. Dithmarschen wird traditionell als eine (ehemalige) freie Bauernrepublik bezeichnet.
Vorbei am „Dithmarscher Dom“gelangte ich bei Meldorf wieder an die Nordsee.
Von Büsum fuhr ich bis zum Sperrwerk an der Eider…
… der ich bis Tönning folgte.
Dort fand ich am „Eiderstrand“eine Dusche, die mich von den äußerst hartnäckig haftenden Rückständen meiner kleinen Wattwanderung bei Büsum befreite.
Endlos zog sich der Radweg bis Husum. In der Dämmerung erreichte ich Nordstrand.
Am nächsten Tag fuhr ich über Nordstrandischmoor weiter Richtung Dagebüll.
Wegelagerer begleiteten mich …
… Regenwolken ebenfalls: „Wir hatten drei Mal trocken, drei Mal nass – in einer Stunde! Das ist Schleswig-Holstein.“ wird der NDR-Moderator wenig später verkünden, der mit seinem Radiobus gegenüber auf Amrum stand.
Jedenfalls produzierte das Schietwetter auch wunderschöne Regenbögen – manchmal sogar im Duo.
Und die Farben erscheinen hier im Norden viel intensiver.
Mit etwas Fantasie sah ich vom Deich in Dagebül den Hindenburgdamm und Sylt vor mir liegen. Ich hatte also fertig! Für den Rest des Tages entspannte ich mich mit Nadolny und einem Roten.
Radfernwege in Schleswig-Holstein
Ein Überblick
Deutsche Fährstraße
Die Deutsche Fährstraße ist eine touristische Ferienstraße zwischen Kiel und Bremervörde. Sie verbindet rund fünfzig Brücken, Schleusen, Sperrwerke und Fähren - darunter die beiden letzten deutschen Schwebefähren in Rendsburg und Osten (Oste). Die Deutsche Fährstraße bietet damit Anschauungsmaterial für nahezu alle Möglichkeiten, die der Mensch je ersonnen hat, ein Gewässer zu queren. Die drei verschiedenen Routen (für Radler, Autofahrer und Wassersportler) folgen dem Fluss Oste, der Unterelbe, dem Nord-Ostsee-Kanal und der Kieler Förde. Der Radfernweg ist 250 Kilometer lang.
www.deutsche-faehrstrasse.de
Eider-Treene-Sorge-Weg
„Die Flusslandschaft Eider-Treene-Sorge ist eine ländliche Region im Binnenland Schleswig-Holsteins zwischen den Städten Heide, Husum, Flensburg, Schleswig und Rendsburg. Im Herzen der Region bilden die drei namengebenden Flüsse Eider, Treene und Sorge das größte zusammenhängende Fluss- und Niederungsgebiet Schleswig-Holsteins.“ (Offizielle Website der Aktiv-Region Eider-Treene-Sorge). Der Radfernweg ist 240 Kilometer lang.
www.eider-treene-sorge.de
Elbe-Radweg
Der insgesamt 1220 km lange Elberadweg beginnt in Špindlerův Mlýn (Spindlermühle) im Riesengebirge und endet an der Elbemündung in die Nordsee. Er wird sowohl von Radfahrern als auch von Fußgängern genutzt. Im Jahr 2011wurde er bereits zum 7. Mal in Folge von Mitgliedern des ADFC zum beliebtesten Fernradweg Deutschlands gewählt. Von Lauenburg bis Brunsbüttel führt er über eine Strecke von 170 Kilometern durch Schleswig-Holstein.
www.elberadweg.de
Europaradweg Eiserner Vorhang
Europäische Geschichte mit dem Rad „erfahren“. Der Iron Curtain Trail (ICT), auch Eiserner-Vorhang-Route. Der Radfernweg führt über ca. 7.650 Kilometer von der Barentsee bis an das Schwarze Meer. Während des Kalten Kriegs verlief entlang des Radwegs der „Eiserne Vorhang“ (engl. Iron Curtain), die Grenze zwischen Ost und West bzw. den Warschauer Pakt-Staaten und der NATO. In Deutschland entspricht er dem Radweg „Grünes Band“. Der ist 1131 Kilometer lang. In Schleswig-Holsten führt er von Dömitz an der Elbe nach Travemünde.
www.ironcurtaintrail.eu
Grenzroute
Der Radfernweg hat eine Länge von insegesamt 130 Kilometern und wechselt 13 mal die Länder. Der thematische Radwanderweg zur Grenzkultur, der an der deutsch-dänischen Grenze kulturhistorische Erlebnisinhalte bieten soll, verläuft parallel zwischen den Radfernwegen „Nord-Ostsee-Radweg“ auf der deutschen Seite und der Nationalen Radroute DK 8 auf der dänischen Seite.
www.grenzroute.com
Hamburg-Rügen
Auf Umwegen, teilweise geradezu im Zickzack, von der Hansestadt Hamburg zur größten Insel Deutschlands. 520 Kilometer km - das ist etwa doppelt so weit wie die direktere Fahrstrecke auf kleinen und mittleren, also gut zum Radfahren geeigneten Straßen von Hamburg nach Stralsund (Rügendamm) über Lübeck, Wismar und Rostock. Auf der Strecke liegen ein Nationalpark, drei Biosphärenreservate und drei Naturparks. Von Geesthacht aus Quer durch das Herzogtum Lauenburg im Süden Schleswig-Holsteins nach Ratzeburg, wo der schleswig-holsteinische Teil endet.
www.sh-tourismus.de/de/radweg-hamburg-ruegen
Radrundtour Holsteinische Schweiz
Der Startpunkt der 200 Kilometer langen Radrundtour durch das Hügelland kann beliebig (zum Beispiel Eutin – Bahnhof) gewählt werden. Die Route führt vorbei an Seen und Wäldern.
www.ostsee-schleswig-holstein.de/de/holsteinische-schweiz-radtour
Mönchsweg
342 Kilometer langer Radfernweg von Glückstadt an der Elbe zur Ostseeinsel Fehmarn. Er führt von West nach Ost durch die vier Landkreise Steinburg, Segeberg, Plön, und Ostholstein. Dabei bindet er fünf Radfernwege mit ein: Nord- und Ostseeküstenradweg, Ochsenweg, Elberadweg und Holsteinische-Schweiz-Tour. Der Mönchsweg ist ein Kooperationsprojekt zwischen den Landkreisen und der Nordelbischen Landeskirche. Wer dem Mönchsweg folgt, wandelt gleichsam auf den Spuren der Christianisierung des Nordens. Entlang der Route befinden sich Kirchen, Klöster, Burgplätze und ähnliches von touristischer Bedeutung, wobei die Christianisierung Nordelbiens und die schrittweise Mission in den OstenSchleswig-Holsteins bis hin zur Christianisierung des slawischen Wagriens als thematische und räumliche Orientierung dient.
www.moenchsweg.de
Nordsee-Kirchen-Tour
Mölln ist Start- und Zielpunkt der 49 Kilometer langen Rundtour. Alte Malereien warten darauf, entdeckt zu werden. Nach einer weiteren Etappe erreichen Sie den Ort Seedorf am Schaalsee. Die für ihre Fresken bekannte St. Clemens – St. Katharinen-Kirche ist das originalgetreue Beispiel einer norddeutschen Landkirche. In Gudow liegt eine der ältesten Kirchen des Herzogtums: Die Marienkirche aus dem 12.Jahrhundert. Im Inneren der Feldsteinkirche befinden sich einige sehenswerte Kunstwerke. Nach einer Fahrt durch das schöne Hellbachtal kommt ihr wiederzurück zum Ausgangspunkt.
www.sh-tourismus.de/de/kirchentour-1
Nordsee-Insel-Tour
Die 181 Kilometer lange Nordsee-Insel-Tour mit Fähre und Fahrrad beginnt im Norden der Insel Sylt und führt über die Hallig Hooge, Amrum und Föhr nach Dagebüll auf dem Festland.
www.ferien-urlaub-nordsee.de/radwandern-nordsee,56.htm
Nord-Ostsee-Radweg
Der Nord-Ostsee-Radweg verläuft auf gut zu fahrenden Wegen vom Nordseedeich am Rickelsbüller Koog bis Flensburg. Die 66 Kilometer lange Strecke parallel zur dänischen Grenze ist die kürzeste Verbindung zwischen der West- und der Ostküste Schleswig-Holsteins.
www.ndr.de/ratgeber/reise/radtouren/nordostseeweg2.html
Nord-Ostsee-Kanal-Tour
Radfernweg, der auf eine rLänge von über 100 Kilometer den Nord-Ostsee-Kanal zwischen Brunsbüttel und Kiel begleitet. Die vorwiegend betonierten Wege haben keine Steigungen. Die Landschaft am Kanal ist abwechslungsreich. Zu den Sehenswürdigkeiten am Kanalzählen die großen Schleusenanlagen in Brunsbüttel und Kiel-Holtenau. Von Aussichtsplattformen ist das Ein- und Ausschleusen der Schiffe zu beobachten.
www.nok-sh.de/nok-route
Nordseeküstenradweg - North Sea Cycle Route
Der längste europäische Radfernweg führt über fast 6000 Kilometer rund um die Nordsee. In Schleswig-Holstein durchquert es vor allem durch Marschgebiete am Wattenmeer von der dänischen Grenze bis nach Wedel vor den Toren Hamburgs. Größtenteils führt die Route über einen der beiden Wege, die außen und innen direkt am Deichentlang führen, wobei der jeweils andere Weg oft ebenfalls fahrbar ist. Der ausgeschilderte Weg weicht abschnittsweise auch bis zu mehrere Kilometer von der Küste ab.
www.northsea-cycle.com
www.nordwestreisemagazin.de/radrouten/northsea-cycle.htm
www.nordseeradwanderweg.de
Ochsenweg
Der Ochsenweg, auch Heerweg (dänisch: Hærvejen, Sakservejen oder Adelvejen; niederdeutsch: Ossenpadd), ist ein historischer Landweg auf der Kimbrischen Halbinsel von Viborg in Dänemark nach Wedel in Schleswig-Holstein. Der insgesamt über 500 Kilometer lange Radfernweg führt über viele größere StädteS chleswig-Holsteins: Flensburg, Schleswig, dort zuvor die Wikingersiedlung Haithabu und Rendsburg. In Rendsburg teilt sich der Ochsenweg in eine Ostroute über Neumünster und Bad Bramstedt und eine Westroute via Itzehoe und Elmshorn.In Uetersen treffen sich die beiden Routen wieder, um zum Ziel des Ochsenweges, dem ehemaligen Ochsenmarkt in Wedel zu führen.
www.sh-ochsenweg.de
http://radreise-wiki.de/Ochsenweg
Ostseeküsten-Radweg
Radfernweg rund um die Ostsee. In Schleswig-Holstein beginnt er an der dänischen Grenze bei Flensburg, führt über die Brücke rund um Fehmarn und endet nach 425 Kilometern in Travemünde.
www.radreise-wiki.de/Ostseeküstenradweg
Wikinger-Friesen-Weg
Zwei Routen (167 km bzw. 177 km) führen auf alten Handelswegen derWikinger und Friesen von Eiderstedt aus über Friedrichstadt durch dieEider-Treene-Sorge-Flusslandschaft, dann entweder nördlich über Ostenfeld odersüdlich über Bergenhusen weiter nach Schleswig die Schlei entlang bis Maasholm.
www.wikinger-friesen-weg.de
Web-Links für Radwanderer in Schleswig-Holstein
Bücher für Radwanderer über Schleswig-Holstein
Adams, Nicoletta: DuMont Reise-Taschenbuch Schleswig-Holstein.
Köln 2011 (DuMont).
bikeline Radtourenbuch: Ostseeküsten-Radweg Teil 1: Schleswig-Holstein. Von Flensburg nach Lübeck.
2012 (Esterbauer).
Barelds, Wolfgang & Idhuna: Fremdsprech: Oh, dieses Plattdeutsch!
Kiel 2012 (Conrad Stein Verlag).
Draeger, Heinz-Joachim: Schleswig-Holstein anschaulich: Streifzüge durch das Land und seinen Geschichte.
Hamburg 2008 (Convent).
Draeger, Heinz-Joachim: Lübeck anschaulich: Streifzüge durch das Land und seine Geschichte.
Hamburg 2004 (Convent).
Ehley, Eva: Engel sterben. Ein Sylt-Krimi.
Frankfurt am Main 2012 (Fischer-Taschenbuch-Verlag).
Feldmann, Christine: Die letzten Paradiese Norddeutschlands.
Der Wegweiser zu den Natur- und Nationalparks in Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
München 2009 (Bruckmann).
Fründt, Hans-Jürgen: Nordseeküste Schleswig-Holstein.
Bielefeld 2010 (Reise-Know-How-Verlag).
Fründt, Hans-Jürgen: OstseeküsteSchleswig-Holstein.
Bielefeld 2011 (Reise-Know-How-Verlag).
Fründt, Hans-Jürgen: Nordseeinsel Sylt.
Bielefeld 2012 (Reise-Know-How-Verlag).
Götz, Heike: Radtouren zwischen den Meeren. Mit Heike Götz quer durch Schleswig-Holstein.
Schwarzenbek 2012 (Cadmos).
Katz, Dieter: Reisehandbuch Ostseeküste.Von Lübeck bis Kiel.
Bielefeld 2012 (Reise-Know-How-Verlag).
Knobloch, Jochen (Fotograf) / Lojewski, Wolf von: Im Flug über Schleswig-Holstein.
Rostock 2012 (Hinstorff).
Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturkarte Schleswig-Holstein.
Neumünster 2005 (WachholtzVerlag).
Maurer, Gudrun: Reisehandbuch Schleswig-Holstein: Nordseeküste und Inseln.
2010 (Michael Müller Verlag).
Opitz, Eckardt: Schleswig-Holstein: Das Land und seine Geschichte.
Hamburg 2003 (Ellert &Richter).
Reinke, Hans-Dieter / Hugenbusch, Daniel /Hugenbusch, David: Schleswig-Holstein – Die schönsten Radtouren.
Hamburg 2012 (Ellert &Richter).
Rumler, Andreas: Schleswig-Holstein Kunstreiseführer. Kultur, Geschichte und Landschaft zwischenNord- und Ostsee, Elbe und Flensburger Förde.
Köln 2011 (DuMont).
Schmidtke, Kurt-Dietmar: Die Entstehung Schleswig-Holsteins.
Neumünster 1995 (Wachholtz).
Schnepel, Hartmut: Neue Blicke aufs Land.Fotoimpressionen aus Schleswig-Holstein.
Heide 2012 (Boyens-Buchverlag).
Schmidt, Andreas: Tod mit Meerblick.Schleswig-Holstein-Krimi.
Leer 2011 (Leda-Verlag).
Steffens, Uwe: Sagenhaftes Schleswig-Holstein.
Kombination aus Text- und Bildband.
Sylt 2007 (Eiland).
Thomsen, Dirk: Reisehandbuch Sylt.
Erlangen 2012 (Michael Müller Verlag).
Genießen in Schleswig-Hollstein: Mit dem Gaumen entdecken
Kulinarische Tipps für Radwanderer in Schleswig-Holstein
„Eten und drinken held Leev und Seel tosamen“. Die schwere körperliche Arbeit auf hoher See oder auf dem Feld war ohne gehaltvolle Ernährung nicht durchzustehen. Die traditionelle Küche ist daher deftig - das nackte Grauen für jeden Ernährungsberater: viel Fett, viel Salz, viel Zucker. Radwanderer können das ab, als tägliche Nahrung für Büroarbeiter ist die traditionelle Küche eher ungeeignet.
„Unaufgeregt, direkt, unprätentiös.“ So charakterisiert der aus Elmshorn stammende Fernseh-Koch Tim Mälzer die Küche in Schleswig-Holstein. Sein Paradebeispiel: der Steckrüben-Eintopf. Weil er kaum eine Erklärung nötig habe: Einfach die gleiche Menge Steckrüben wie Kartoffeln kochen, Karotten und viel Speckbacke dazu, frisch gehackte Petersilie darüber streuen - fertig.
Schleswig-Holstein ist ein Agrarland - mit dem Dusel, auch noch beidseitig am Meer zu liegen. Früher waren seine Schätze ungleich verteilt. Die fetten Seiten waren die Küsten. Hier lebten wohlhabende Bauern. Ihre Teller und Keller waren reichlich gefüllt: Lamm von den Deichen, Krabben und Fisch vom Kutter, gut genährtes Vieh auf den Weiden. Und auf den fetten Äcker gediehen Kohl und Korn reichlich. Bescheiden und schlicht hingegen war das Leben in der Mitte, in der armen Geest. Auf ihren kargen Böden wuchsen – ehe die Kartoffel ins Land kam – nur der außerordentlich wetterabhängige Buchweizen und die Gerste. Auf den Tisch kamen hier lediglich Buchweizengrütze, Gerstengrütze, Gerstengraupen, Milch, Speck (auch nicht täglich) und Brot. Fleisch gab es selten. Denn jährlich wurden höchstens ein oder zwei Schweine geschlachtet - selten auch mal ein altersschwaches Rind, das keine Milch mehr hergab. Hühnersuppe und Mehlbüddel, Schweinebacke und runde Mettwurst waren hier Festtagsgerichte. Heute ist das freilich anders.
Wenn es etwas gibt, das die schleswig-holsteinische Regionalküche von anderen unterscheidet, dann ist es die Broken sööt (Gebrochene Süße). Die Süße einer Zutat wird mit einem geschmacklichen Kontrast wie sauer oder salzig kombiniert. Beliebt ist vor allem die Geschmackskombination söötsuur (süßsauer). Das wäre in unserem südlichsten Bundesland Schweinshaxe mit Birne. Gnade dem, der sich das traut! Jedenfalls dort, wo die CSU trachtenjankergerüstet die Oberhoheit hat.
Zu den bekanntesten Gerichten dieser Art zählt der Eintopf aus Birnen, Bohnen und Speck. Er vereint die Süße der Kochbirnen (kleine Perlbirnen, gekocht samt Stumpf und Stiel) mit der fetthaltigen Speckbrühe und dem kräftigen Rauchgeschmack des Specks. Das Rezept ist simpel. Nur Wasserkochen geht einfacher: Der Speck wird in Wasser weichgekocht, dann kommen blanchierte Bohnen und Birnen dazu. Gewürzt wird mit Bohnenkraut. Als Beilage gibt es Salzkartoffeln.
Weitere typische Gerichte, die den Broken-sööt-Geschmack bereits durch die Zubereitungsart erhalten, sind Göösküülsöötsuur (süßsaure Gänsekeule), das Holsteiner Sauerfleisch (Schweinefleisch zusammen mit Gewürzen wie Lorbeer, Piment, Senfkörnern, Kümmel und Wacholderbeeren in Weißweinessig kochen und zur Sülze erkalten lassen) und das süßlich angemachte Rübenmalheur (Steckrübeneintopf mit Kochwurst und Kasseler).
Auch durch die Verbindungstark gesalzener - und darum würziger - Fleischgerichte mit süßen Beilagen entsteht dieser Geschmackseindruck. So beim Kohl mit Pinkel. Klingt ziemlich unanständig, ist es aber nicht. Pinkel-Wurst ist eine geräucherte, grobkörnige „Grützwurst“ mit Speck und Gewürzen. Die Bezeichnung Pinkel kommt vom Rindermastdarm, der traditionell als Wursthülle verwendet wird. Auch dieses deftige Gericht stellt keine hohen Anforderungen an die Kochkunst: Grünkohl in Salzwasser blanchieren und klein hacken. Speck und Zwiebeln klein schneiden. Beides in Öl anbraten, dann den Kohl dazugeben und kurz mit anschwitzen. Mit Brühe auffüllen und die abgeschnittenen Speckschwarten auf den Kohl legen. Dann eine Stunde köcheln lassen. In dieser Zeit den Kasselernacken anbraten und im Backofen bei höchstens hundert Grad garen. Grünkohl mit den Gewürzen abschmecken sowie die Würste dazugeben. Fertig. Es ist ein typisches Wintergericht, denn Grünkohl wird nach dem ersten Frost geerntet. Durch die kalten Temperaturen steigt der Zuckergehalt der Kohlblätter an, das Gemüseschmeckt aromatischer und weniger bitter.
Zu Broken sööt gehört auch noch der Mehlbüddel (Mehlbeutel). Es handelt sich um einen Serviettenkloß, der – aus dem Pudding der englischen Küche übernommen und von den Seefahrern mitgebracht – sich ab dem späten 17. Jahrhundert in Norddeutschland verbreitete. In Dithmarschen ist er ab 1755 belegt und wurde dort bald zum identitätsstiftenden "Nationalgericht". Der Dithmarscher Mehlbeutel ist ein salziger, mit etwas Zitronenschale gewürzter und mit Eiern gelockerter Mehlkloß, bei dem der Teig in ein Tuch eingeschlagen (sonst würde er auseinanderfallen, deshalb Büddel ) in einem Topf gart. Serviert wird er mit Zucker, flüssiger Butter und Scheiben von Schweinebackenfleisch. Grooter Hans (Der Große Hans) ähnelt dem Dithmarscher Mehlbeutel. Er kann jedoch sowohl mit süßen als auch mit herzhaften Beilagen gereichtwerden.
Wem das alles noch nicht ungewöhnlich genug ist, der sollte Schwarzsauer probieren. Für den durch mediterane Gerichte verdorbenen Gaumen ist das eine brutale Erfahrung. Eine völlig andere Geschmackswelt – aus einer Zeit, in der Essen „Leev und Seel tosamen“ halten musste. Schwarzsauer wurde früher auf den Höfen zum Schlachtfest serviert: Bauchfleisch vom Schwein, der Schnauze und den Pfoten, Schlachtbrühe, Schweineblut. Sag ich doch: gewöhnungsbedürftig. Schwarzsauer wird warm oder kalt gegessen. Dazu reicht man Mehlklöße, Apfelmus oder Backobst. Als Krönung streuen sich manche Zucker darüber - die Älteren unter den Einheimischen streuen fast auf alles Zucker. Einfach ausprobieren!
Und wenn der Schleswig-Holsteiner nur süß will? Auch dann wird er im eigenen Land fündig: Lübecker Marzipan. In den Lübecker Zunftrollen wird „Martzapaen“ erstmals im Jahre 1530 erwähnt. Auch das Lübecker Marzipan kommt ohne Legende nicht aus. Danach befahl bereits 1407 der Senat den Bäckern, als die Bürger während einer Belagerung hungerten, aus den Mandel- und Zuckervorräten ein Brot herzustellen. Ein Bürger ging damit vor dieTore zu den Belagerern: „Wir haben noch so viel davon – dirbt uns sonst noch!“ Die Feinde gaben auf. Ungeachtet der Legende war die Marzipanherstellung bis ins 18.Jahrhundert ein Privileg der Apotheker. Marzipan galt als Heil- und Stärkungsmittel (letzteres sicher zu Recht, war und ist es doch ein Kalorienhammer!) und war für den gemeinen Bürger unerschwinglich. Das änderte sich erst dank der Produktion von Rübenzucker. Lübecks Ruf als „Marzipanstadt“, seine Vorrangstellung bei der Marzipanproduktion, wurde allerdings erst spät begründet. 1786 gründet der Konditor Johann Gerhard Maret seinen Betrieb. Er starb 1804 und hinterließ nur einen kleinen Sohn. Sein langjähriger Geselle Johann Georg Niederegger führte daher zunächst die Konditorei. 1822 endlich übernahm Peter August Maret den Betrieb und Niedereggergründet seine eigene Firma. In den folgenden Jahrzehnten werden in Lübeck etwa ein Dutzend Marzipan-Fabriken gegründet, die den Grundstein für die heutige weltweite Verbreitung der Süßigkeit legten.
Es geht aber in Schleswig-Holstein auch ohne Süßigkeit und ohne Broken sööt. Mit Gemüße ohne Süße zum Beispiel: Gestovtes Gemüse - „gestovt“ bedeutet: in Butter-Mehl-Sauce. Das geht ganz einfach: Möhren, Lauch und Selleriekleinschneiden, mit Wasser in Topf geben und dünsten. Butter und Mehlverkneten, dazu geben und aufkochen. Mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abschmecken.
Auch Labskaus kommt ohne Broken sööt aus. Das zu Unrecht von den Bewohnern südlicherer Bundesländer oft geschmähte Gericht ist der Beweis, dass nicht alles, was grauselich aussieht, auch so schmecken muss. Es stammt aus einer Zeit, als es auf den Schiffen noch keine Kühlschränke gab. Lang haltbare Zutaten wie Dörrfleisch, eingelegte Gurken und Kartoffeln waren die Grundlage für das breiige Mus. Entstanden ist das eher nach Kleinkinderbrei aussehende Gericht aus der Not. Böse Zugen behaupten, es sehe aus wie vorgekaut. Hintergrund auch: Die Seefahrer litten auf ihren langen Reisen an Scorbut. DieVitaminmangelkrankheit trat bei anhaltendem Fehlen von Vitamin C in derNahrung nach zwei bis vier Monaten auf. Sie verursachte Zahnfleischbluten und Zahnfleischwucherung sowie später Zahnausfall – bis zum Tod durch Herzschwäche. Kauen war damit für die Seefahrer ein echtes Problem – auf hoher See, aber auch auf Land. Im Zeitalter der Entdeckungen war Skorbut oft die Haupt-Todesursache bei Seeleuten. So verlor das Schiff von Vasco da Gama auf einer Reise zwei Drittel der Besatzung durch Skorbut. Grund für das häufige Auftreten von Skorbut auf See war die einseitige Ernährung, die, mangels Konservierungsmöglichkeiten, hauptsächlich aus Pökelfleisch und Schiffszwieback bestand. Erst als der britische Schiffsarzt James Lind 1754 zeigen konnte, dass Zitrusfrüchte gegen Skorbut helfen, verlor die Krankheit ihren Schrecken. Neben Zitronen- oder Limettensaft, der oft in eingekochter Form mitgeführt wurde, nahmen die Seefahrer auch Sauerkraut und Kartoffeln an Bord. Von der täglichen Ration Limonensaft stammt übrigens der Spitzname Limey für die englischen Matrosen - im Gegensatz zu den Sauerkraut essenden Krauts, den norddeutschen Handelsschiffern.
Serviert wird Labskaus meist garniert mit Rollmops oder Bismarckhering, Spiegelei und Gewürzgurke. Manche mischen Hering hinein („lecker Fischmatsch“), andere legen ihn dazu. Ein Originalrezept gibt es nicht. Wie auch? Es war ein Überlebensgericht: Rein kam, was verfügbar war.
In eine ganz andere Kategorie gehört das Salzwiesenlamm. Besonders beliebt ist es heute in der Sterneküche. Warum? Würzig und zart schmeckt das Fleisch der Lämmer, die auf den Salzwiesen im Deichvorland grasen. Nur, wer sie radelnd erlebt hat, zwischen ihnen durchfuhr, möchte der Kleinkinder am Abend auf dem Teller? Nur so ne Frage. Muss jeder für sich entscheiden.
Und was trinkt der Schleswig-H olsteiner? „Lütt un Lütt“ („Klein und Klein“). Ein kleines Bier (Flensburger und Dithmarscher Pilsener sind die beliebtesten Biersorten) und einen Schnaps: Korn – mit oder ohne Kümmel. Die industrielle Kornherstellung konzentriert sich auf vier Regionen in Deutschland: Noch vor Nordhausen im nördlichen Thüringen, Haselünne im niedersächsischen Emsland sowie Oelde in Westfalen ist der OLDESLOER Korn aus Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein Marktführer. Wer in der Gastronomie des Kornlandes Schleswig-Holstein nach einem guten, kühlen Korn verlangt, erhält fast immer einen Oldesloer. Die Karriere des Korn in Deutschland begann 1879. Die Reblausfiel damals über die Weinstöcke her. Fünf Jahre später wurden durch Bismarcks Gesetze die Kornbrennerei in bäuerlichen Kleinbetrieben gefördert. Zwanzig Jahre später gründete Agust Ernst als Brennmeister und Landwirt in Oldesloe eine Kornbrennerei. Bis heute eine Erfolgsgeschichte – der Reblaus sei Dank. Im übrigen war es ja bei Lichte besehen nie eine gute Idee, im hohen Norden – zum Beispiel auf S ylt – Wein anzubauen. Obwohl: Nördlich von Keitum wird es wieder versucht – mit frühreifen Sorten wie Solaris und Rivaner. Der Klimawandel kommt den Weinbauern entgegen. Es gibt Prognosen, nach denen es auf Sylt bis zum Ende des Jahrhunderts um ganze fünf Grad wärmer werden wird. Dennoch: Auch auf längere Sicht nicht hier oben angebaut werden wird der Lübecker Rotspon (spon = hölzernesGefäß). Der Rotwein wird auf absehbare Zeit weiterhin aus Bordeaux kommen. Nur: Wie kamen die Lübecker Kaufleute darauf, Rotwein aus Bordeaux zu veredeln? Des Rätsels Lösung ist simpel: Im 14.Jahrhundert luden Salzschiffe auf ihrer Rückfahrt vom Golf von Biskaya Rotwein als Balast ein. Sehr bald merkte man,dass das dem Wein guttat und machte ein Prinzip daraus. Die lange Reise im Fass und dann der Ausbau in in Barriquefässern hanseatischer Keller, teils aus verschiedenen Chargen Wein unterschiedlicher Weingüter und kundig miteinander verschnitten, konnte die Qualität deutlich verbessern. Voila. War natürlich nur was für die Bessergestellten.
Das gemeine Volk im hohen Norden Deutschlands labt sich der weil kostengünstiger neben „Lütt un Lütt“ anheißen Spezialitäten wie „Tote Tante“ (anderenorts als Lumumba bekannt) und dem Pharisäer. Grundlage ist starker, gesüßter Kaffee, der mit braunem Rum verlängert und einer Schlagsahnehaube serviert wird. Getrunken wird durch die Sahne. Umrühren ist verboten! Wer sich an diese Tradition nicht hält, muss eine Lokalrunde ausgeben.
Für den Anbau von Zuckerrohr war das raue Bundesland seit der Kontinentalverschiebung - als ein Stück Erdkruste auf Wanderschaft zog es rastlos über den Globus, weilte aber lange in Äquatornähe - denkbar ungeeignet. Wozu hat man Schiffe?! Von Flensburg aus fuhren Handelsschiffe zu den dänischen Kolonien in der Karibik, wo Zuckerrohr angebaut wurde. In Flensburg ist allerdings nie ein Tropfen Rum destilliert worden. Der Rum ist alshochprozentiger Alkohol aus den dänischen Kolonien und nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 (dem ersten der drei Deutschen Einigungskriege) aus Jamaika gekommen. Nach Reifung entstand der sogenannte “Flensburger Rum“, mit dem Flensburg im Laufe der Jahre eine Weltmetropole des Rums wurde.
Noch heute zeugen die vielen Höfe und frühere Handelshäuser in der Altstadt von diesem Kapitel Flensburger Stadtgeschichte. Und die Rum-Regatta auf der Flensburger Innenförde! Das größte Gaffelseglertreffen Nordeuropa - traditionell immer am Wochenende nach Christi Himmelfahrt. Ein riesiges Volksfest. Ziel ist der zweite Platz: „Lieber heil und zweiter, als kaputt und breiter!“ Ein Hoch auf die Nachhaltigkeit. Ein Sieg der Entschleunigung.
Auch für die kalte Küche hat das Land einige Spezialitäten zu bieten. Den Holsteiner Katenschinken zum Beispiel. Hierzu wird gepökelter Hinterschinken vom Schwein im Rauch von Buchen- oder Eichenholz bis zu acht Wochen geräuchert - traditionell über der offenen Feuerstelle. Dabei entsteht ein kräftiges und pikantes, doch sehr feines Aroma. Woher kommt der Name? Als Kate werden in Norddeutschland kleine dörfliche Häuser bezeichnet, die in der Vergangenheit von Nebenerwerbslandwirten bewohnt und bewirtschaftet wurden. Einige dieser Häuser wurden zum Räuchern eingesetzt und werden seither als Räucherkate bezeichnet. Zum Schinken gibt es Schwarzbrot - ein echtes schleswig-holsteinisches Produkt - auch gerne als Strammer Max mit Spiegelei, Schinken und Gurke.
Wiesen, Weiden und Marschen:Schleswig-Holstein ist auch ein Käse-Land. Die Milcherzeugung ist auch heute noch das wichtigste Standbein für die Landwirtschaft. Zwei von drei Landwirten leben von der Milch,jeder dritte Euro wird mit der Milch verdient. Schon im 16. Jahrhundertexportierte Schleswig-Holstein Käse im großen Stil. Kenntnisse über die professionelle Milcherzeugung brachten damals die zahlreichen holländischen Flüchtlinge ins Land, die ihre Heimat wegen ihres Glaubens verlassen mussten. Die Ansiedlung ostpreußischer Käsereifachleute nach dem Zweiten Weltkrieg trug dazu bei, daß die Erzeugung von Tilsiter hier eine zweite Heimat gefunden hat. Richtigerweise spricht man nicht nur vom Tilsiter, sondern von der Tilsiter-Familie, zu der auch der Wilstermarschkäse gehört. Der Tilsiter ist der traditionelle Käse Norddeutschlands, genauer gesagt: Er ist die dominierende Käsesorte des gesamten Raumes entlang der Ostseeküste von Rußland bis Südschweden (von rund dreitausend nur weltweit). Sein Alleinstellungsmerkmal: Er zeichnet sich durch blassgelben, geschmeidigen Teig und feinporige Lochung aus - mit einem milden, dezentherben, leicht säuerlichen Geschmack.
Natürlich isst man im Land zwischen den Meeren auch allerlei Meeresgetier. Am häufigsten findet man Butt - dem Günter Grass, der heute in der Nähe von Lübeck lebt, in seinem gleichnamigen „erzählenden Kochbuch“ ein Denkmal gesetzt hat. Und Scholle natürlich, in Speck gebraten, Dorsch gekocht mit Senfsauce, Seezunge und Hecht sowie Makrele, Hering und Aal. Und nicht zu vergessen - das wäre unverzeihlich - die Nordseegarnele: eigentlich ein kleiner Zehnfußkrebs, der aufgrund seiner langgestreckten Gestalt, filigranen Beine, kleinen Scheren und langen Antennen zu den Garnelen gerechnet wird. Büsum besitzt nach Brunsbüttel den größten Hafen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Hier liegen die Krabbenkutter. Echte Büsumer Krabben sind kleiner als andere (zum Beispiel aus indonesischen Garnelenfarmen, wo sie mit weis der Teufel was gefüttert und am Leben erhalten werden mittels pharmazeutischer Produkte) und haben keine rosa Färbung. Frisch vom Kutter und gerade gepult haben sie einen sehr intensiven Geschmack. Sie schmecken besonders fein mit Rührei und Schwarzbrot.
Noch etwas extravaganter sind Sylter Austern. Auch sie isst der Kenner pur - oder allenfalls mit einer Vinaigrette, die ein bisschen Chili oder etwas Algeenthält. Die Sylter Royal (feiner Geschmack, hoher Fleischgehalt) kommt aus dem Watt vor List. Schon seit Jahrhunderten ist der Austernfang auf der Insel Tradition. Heute werden die Meeresfrüchte aber nicht mehr mit Schleppnetzen aus dem Wasser geholt. Sie stammen aus künstlich angelegten Zuchtbänken - den einzigen in Deutschland.
Kulinarisch geht es aber auch preiswerter. Eine ganze Woche wird dem Matjes gewidmet. Alljährlich imJuni feiern die Glücksstädter die Matjeswochen. Bei Matjes handelt es sich um besonders milde Salzheringe, die durch Enzyme in einer Salzlake heranreifen. Ein klassisch norddeutsches Gericht ist Matjes mit Pellkartoffeln und grünen Bohnen mit Speckstippen.
Und dann wären da noch die Kieler Sprotten: Eine Fischspezialität, die aus der Sprotte -einem heringsartigen Seefisch - durch Räuchern hergestellt wird. Die Sprotte wird heute in ökonomisch nicht relevanten Mengen in der Ostsee um Kiel gefangen. Der Rest kommt von weit her. Vor weit über hundert Jahren war dies noch anders. Alfred Brehm schrieb 1884: „Auch anunseren Küsten, insbesondere an denen der Ostsee, werden alljährlich viele, be iEckernförde allein durchschnittlich etwa sechzehn Millionen Sprotten gefangen, meist geräuchert und dann unter dem Namen Kieler Sprotten in alle Welt versendet.“ Die Kieler Sprotte kommt heute aus der Nordsee und dem Nordost-Atlantik. Ausländer helfen auch hier demographisch-kulinarisch nach. Posthum allerdings. Eigentlich wurden sie zunächst in Eckernförde hergestellt. Auf dem Transportweg bekamen die Kisten aber erst im nächstgelegenen Kieler Hauptbahnhof einen großen Versandstempel, der den Eindruck der Herstellung in Kiel erweckte. Heute werden Kieler Sprotten in der gesamten Region hergestellt. Echte Kieler Sprotten werden im traditionellen Altonaer Ofen über Buchen- und Erlenholz geräuchert. Vielerorts ist der jedoch modernen, gasbefeuerten Räucheröfen gewichen. In der industriellen Herstellung sowieso. Damit geht aber ein gutes Stück des typischen Geschmacks verloren.